BIM und orthodoxen Kirchenarchitektur

…Vorlesung als Privatdozent bei BHT Berlin 

 

Die heutigen Materialien und Bautechniken sowie die Besonderheiten der Bauindustrie bieten spezifische Ausdrucks- und Konstruktionsmöglichkeiten. Die Theologie und die Anforderungen des Rituals sind eng mit der Ewigkeit verbunden und stehen daher in einem anderen Verhältnis zu den heutigen technologischen Fortschritten. Es scheint ein grundlegender Widerspruch zwischen diesen beiden Disziplinen zu bestehen.
Wie zur Zeiten von Isidor und Anthemios vermitteln Mathematik und Physik zwischen ihnen. Die Mathematik bietet immer Modelle an. Die Theologie bringt ihre eigenen aus der Geschichte überlieferte Modelle mit, die unverändert sind und immer wieder neu interpretiert werden können. Die heutigen Techniken beinhalten immer verfeinerte mathematische Modelle, wie beispielsweise die heutigen Planungstechniken, die auf BIM und parametrisierten generativen Prozessen basieren.
Die Bauphysik schlägt ständig Materialien mit noch nie dagewesenen Eigenschaften vor. Der architektonische Ausdruck ist idealerweise heute von dem Einklang zwischen den Anforderungen des Kultes und den Möglichkeiten der gegenwärtigen Materialien gewährleistet. Die Förderung dieser Bestrebungen durch die Politik ist jedoch seit längerer Zeit nicht mehr möglich. Seit mehr als hundert Jahren stellt der Kirchenbau keine Priorität der europäischer Regierungen mehr dar.
Die politischen Anforderungen werden heute durch die städtischen Regulierungen ausgedrückt. Die Fragen, wo die Kirche bebaut werden kann und wie sie aussehen darf sind nicht mehr direkt von der Politik geprägt, sondern von der zuständigen Behörde genehmigt. Die Freiheit der Kirchenarchitektur ist jetzt unbeschränkt. Die orthodoxe Kirchenarchitektur ist gegenwärtig nicht länger ein Wille der Regierungen sondern ein eindeutiger Ausdruck der Gemeinden.
Die Verantwortung für die Weiternutzung der Kirchen, unabhängig von der Konfession, liegt heute bei den Gemeinde. In Bezug auf die neu zu errichtenden Objekte besteht die Möglichkeit Grundstücke oder bereits bestehende Immobilien zu erwerben, um diese entweder neu zu bauen oder in orthodoxe Gebetsräume umzuwandeln. Der zweite Fall stellt eine besondere Herausforderung sowohl für den Architekten und seine Mannschaft sowie für den Theologen dar.
Die Finanzierung des Kirchenbaus erfolgt heute nahezu ausschließlich über die Möglichkeiten der Gemeinden. Falls eine Unterstützung seitens der Politik erfolgt, ist diese nicht zwangsläufig auf den Bau der Kirche ausgerichtet, sondern dient in erster Linie der Förderung der Gemeinde.
Unter diesen Voraussetzungen sind die Architekten gefordert, die Kosten so gering wie möglich zu halten wobei die architektonische Gestaltung dennoch der Botschaft der Kirchenarchitektur zu entsprechen muss.
Die Konfiguration der eigenen Welt stellt einen wesentlicher Aspekt der Identität jeder dieser Gemeinden dar. Sie haben dafür einen Modell, das Reich Gottes, das durch die Innenarchitektur der Kirche ikonisch dargestellt ist.