Die gestalterische Sprache der orthodoxen Kirchenarchitektur

Vorlesung bei TU Wien, 30 Januar 2025

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zählten die Kirchen zu den prägenden Wahrzeichen der Siedlungsbilder und der bewohnten christlichen Welt. Trotz der starken Minderung ihrer Rolle in der heutigen Gesellschaft stellen die Kirchenbauten ein reichhaltiges und vielschichtiges Beispiel von Multidisziplinarität dar.
Eine Sprache ist durch einen Wortschatz und eine Grammatik definiert. Sie ist grundlegend für jede Art von Ausdruck. Aber wie ist die Sprache definiert? was beinhaltet die Wortschatz? wie sehen die Regel der Grammatik aus?
In der Architektur hängt dies fast immer vom Architekturprogramm ab. Eine Kuppel ist nicht einfach eine Hälfte einer Kugel, eine Wand ist nicht einfach eine vertikale Ebene, ein Fenster ist nicht einfach ein Loch.

Der Bau der Kirche ist eine sublime Synthese aller fortgeschrittenen Erkenntnisse der Natur- und Humanwissenschaften, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung vorlagen. Seit mehr als eineinhalb Jahrtausenden definieren sie deren Außenraum – sei es Stadt, Dorf oder auch Wüste – und gleichzeitig versuchen sie, den Innenraum als Abbild des himmlischen Reichs zu gestalten.
Die Kirchen sind orientiert (nach Osten gerichtet) und orientieren den Raum. Durch die Präsenz der Kirchen bekommt die Welt eine bestimmte Ordnung. Sie ist vor allem auf der Ebene der Siedlung sichtbar, aber auch auf der Ebene des Raums, den sie in der unmittelbaren Nachbarschaft schafft.

Die ersten Jahrhunderte des Christentums waren von starken Konflikten mit dem Staat geprägt. Das Problem der Christen war fast ausschließlich das Problem des Bekenntnisses. Wie kann man das tun, was kann das bedeuten? Aus diese Fragen entwickelt sich das Format erster Gottesdienste. Da diese in umfassender Weise symbolisch und hinsichtlich ihrer Kerninhalte geheimnisvoll sind, bedürfen sie eine dafür geeigneten Räumlichkeit.

In dem Innenraum befindet sich eine andere Welt. „It is a religion of smells and bells.“ als Robert Taft sagt.

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Erst mit der Anerkennung des Christentums 325 durch Konstantin den Großen als religio licita  wurde der echte Kirchenbau möglich. Die christliche Kirche begann ihre architektonische Entwicklung mit der Übernahme von Modellen bedeutender Gebäude der Zeit. Das Problem der Sprache, wie die Kirchen die wesentlichen Themen der Liturgie darstellen können, wurde theologisch weiter ausgearbeitet.
Die Gebetsräume sind in dieser Zeit noch nicht definiert. Sie sind aus den Räumen der Machtstrukturen inspiriert. Sie entwickeln sich zusammen mit der Entwicklung der theologische Begriffe. Das war in der Zeiten der Verfolgung natürlich nicht möglich.

Die Versuchungen in Gestaltung der neuen Kirchenbauten haben gleichzeitig angefangen. Die griechische Philosophie und Mathematik ist vielleicht die wesentliche Teil dieser neue geometrische Ansatz. Natürlich, diese alte Methode waren mit den christliche Symbole belastet.

Also in dieser Zeit wurde die erste Zusammenfassung zwischen Baukunst und Theologie geschaffen. Sie ist erst  zwei Jahrhunderten später sichtbar, unter Kaiser Justinian I, als in der Hagia Sophia Kirche in Konstantinopel die erste göttliche Liturgie gefeiert wurde. Während der 5 Jahren Bauzeit, kamen neben den beiden ersten Disziplinen – Baukunst und Theologie – auch Mathematik und Physik durch den Entwurf von Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis ins Spiel.

Eine andere Problem der ersten Zeiten Christentums ist —wie heute — da Budget. Am Anfang die neue Kirchen waren nur mit Unterstützung der Sponsoren gebaut. Drei Jahrhunderte später, als das Christentum zur Staatsreligion wurde, wurde der Zugang zum kaiserlichen Haushalt geöffnet. 

Kaiser Justinian führt die nunmehr vier Disziplinen mit Politik und Wirtschaft zusammen.

Ein Schritt vor die Gestaltungsversuchungen war die theologische Definition der Begriffe. Eine Milestone auf dieser Weg ist der H. Maximus der Bekenner. Er ist der erste der die Beziehungen zwischen die sichtbare und unsichtbare Welten in Worten ausgedrückt hat.

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Die nächste wichtige Etappe in der Geschichte des Kirchenbaus wurde im IX. Jahrhundert nach den beiden Phasen des Bilderstreits erreicht. Die vorliegende Epoche ist aus zweierlei Gründen von Bedeutung. Zum einen üben die politischen und wirtschaftlichen schwerwiegenden Probleme des Reiches einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Kirchenbaus aus. Diese Entwicklung lässt sich insbesondere an den Maßen der Kirchen ablesen. Zum zweiten hatte das Byzantinische Reich vor der Zeit des Bilderstreits tiefe theologische Erschütterungen erlebt, die in einer grundlegenden Neudefinition der Theologie der Ikone gipfelten. In der Zeit nach dieser wichtigen Krise integrierte die Kirchenarchitektur die wesentlichen Elemente, die die Ikonographie (auch als Symbolik verstanden) in den liturgischen Raum einbringt.
Die Synthese dieser sieben Disziplinen (Baukunst, Theologie, Mathematik, Physik, Politik, Wirtschaft, Ikonographie/Malerei) in einer vereinten Betrachtung stellt das Bild der Kirchenarchitektur am Ende des ersten Jahrtausends dar. Trotz zahlreicher und grundlegender Änderungen innerhalb dieser Disziplinen, hat diese Zusammenfassung bis zum heutigen Tage Bestand.